Behörde: Britische Polizei hat Gewalt bei rassistischen Unruhen im Sommer unterschätzt
Die britische Polizei hat laut dem Bericht einer Aufsichtsbehörde im Vorfeld der einwanderungsfeindlichen Ausschreitungen im Sommer "die Flut der Gewalt" unterschätzt. Die Polizei habe es nicht geschafft, gegen die im Internet kursierende Fehl- und Desinformationen vorzugehen, "um die Unruhen zu verhindern oder einzudämmen", erklärte der Chef der Aufsichtsbehörde der Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste (HMICFRS), Andy Cooke, am Mittwoch. Zudem sei die Entscheidung zum Einsatz der Bereitschaftspolizei "zu spät" gefallen, hieß es weiter.
In England und Nordirland war es im Sommer mehr als eine Woche lang zu rechtsradikalen Ausschreitungen gekommen, nachdem drei Mädchen bei einem Messerangriff im Nordwesten Englands getötet worden waren. Die Polizei nahm einen 17-Jährigen fest, der in Wales geboren wurde und dessen Eltern aus Ruanda stammen.
Die Unruhen hatten nach Falschinformationen über den Angreifer begonnen. Im Zuge der Ausschreitungen gab es unter anderem Angriffe auf Moscheen und Flüchtlingsunterkünfte. Nach Angaben der Polizei wurden mehr als tausend Beteiligte festgenommen. Mehr als 300 Polizisten wurden verletzt, 54 wurden in Krankenhäuser eingeliefert.
Der Bericht der Aufsichtsbehörde verweist auf Informations-"Löcher" sowie fehlendes Verständnis für die Missinformationen, die in Onlinenetzwerken verbreitet wurden. Die Polizei habe nicht über ein "angemessenes nachrichtendienstliches Bild von der zunehmenden Gewalt" verfügt, hieß es weiter, erklärte Cooke. "Niemand verstand die sich entwickelnde Ursache und Wirkung dieser Fehlinformation und Desinformation oder konnte ihr entgegenwirken."
Der Bericht warf der Polizei zudem vor, zahlreiche gewalttätige Vorfälle im Jahr 2023 und im ersten Halbjahr 2024 nicht als Hinweise auf wahrscheinliche künftige Unruhen erkannt zu haben. Dabei ging es unter anderem um Unruhen in der Nähe von Asylbewerberunterkünften im Norden Englands sowie Gewalt bei mehreren Demonstrationen in London.
"Unsere Bewertung dieser Vorfälle legt nahe, dass die Risiken von Unruhen größer waren, als die Polizei glaubte", heißt es in dem Bericht. Es habe sich um "extreme nationalistische Stimmungen" sowie "verschärften Aktivismus" gehandelt.
Trotz zahlreicher Fehler auf organisatorischer Ebene bei der Reaktion auf die Unruhen lobte Cooke den Einsatz der beteiligten Polizisten. Die Beamten hätten "immense Tapferkeit im Angesicht extremer Gewalt" gezeigt. "Es ist ihr großes Verdienst, dass sie die Öffentlichkeit geschützt haben."
(N.Miller--TAG)