Bundesgerichtshof entscheidet im November über Altlasten auf Münchner Grundstück
Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ist am Freitag über ein Grundstück in München verhandelt worden, das mit einem großen Wohnkomplex aus den 1920er-Jahren bebaut ist. Ein Immobilienkonzern wollte die Wohnungen verkaufen, plante eine Tiefgarage und fand 2013 im Boden eine schadstoffbelastete aufgefüllte Kiesgrube. Die Wohnungen wurden nach einigen Maßnahmen trotzdem verkauft, die neuen Eigentümer klagten. Der BGH kündigte an, im November entscheiden zu wollen. (V ZR 213/21)
Es komme häufig vor, dass bei Altbauten aufgefüllte Kiesgruben gefunden würden, erklärte die Vorsitzende Richterin Bettina Brückner am Freitag. Der Kies sei damals für den Bau verwendet und die Grube dann mit Asche und Koks aufgefüllt worden. "Wir leben in einem Industrieland, hier gibt es keine völlig unbelasteten Böden", sagte die Richterin. "Die Frage ist: Was muss ich hinnehmen?"
Im Münchner Fall stoppte der Immobilienkonzern den Verkauf der Wohnungen zunächst und informierte die Stadt. Diese ordnete Untersuchungen an. Dabei wurde unter anderem der Stoff Benzo(a)pyren gefunden, der krebserregend wirken kann. Ein Gutachten sah vor, den Boden im Innenhof bis in 30 Zentimeter Tiefe auszutauschen. Tiefer müsse es nicht gehen, da ohnehin eine Tiefgarage geplant war. In den Vorgärten müsse der Boden gar nicht ausgetauscht werden, da diese eingezäunt waren und normalerweise nicht betreten wurden.
Die Immobilienfirma setzte den Verkauf der Wohnungen fort und informierte die Käufer über die Altlastenauskunft für den Innenhof, nicht aber für die Vorgärten. Für diese Außenbereiche schloss sie eine Haftung aus. Im Innenhof tauschte sie den Boden bis in eine Tiefe von 20 Zentimeter aus. Die Tiefgarage wurde aber doch nicht gebaut.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft beschloss 2014 und 2015, wegen des Innenhofs - wo sich auch ein Kinderspielplatz befindet - und des Außenbereichs vor Gericht zu ziehen. Das Oberlandesgericht München verurteilte den Immobilienkonzern dazu, Innenhof und Vorgärten zu sanieren - aber nur soweit ein bestimmter Grenzwert überschritten werde. Dabei legte es einen strengeren Maßstab an als es das Bundesbodenschutzgesetz vorsieht und begründete dies mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Diesen Ansatz hält der BGH nach vorläufiger Einschätzung für plausibel. Die Prüfwerte stammten immerhin aus den späten 90er-Jahren. Allerdings gab Richterin Brückner zu erkennen, dass das Münchner Urteil so voraussichtlich nicht bestehen bleiben kann. Das Oberlandesgericht habe sich auf Prüfwerte bezogen. Würden diese überschritten, müsse erst einmal untersucht werden, ob der Boden wirklich so stark belastet sei.
Um den Immobilienkonzern bei starker Belastung zur Sanierung verurteilen zu können, müsste dieser außerdem arglistig gehandelt haben. Das hielt der BGH hier aber durchaus für möglich: Den potenziellen Käufern sei von den Schadstoffen im Vorgarten nichts gesagt worden, die Schäden seien möglicherweise bagatellisiert worden.
Die Karlsruher Richterinnen und Richter müssen außerdem prüfen, ob die Eigentümergemeinschaft überhaupt zur Klage berechtigt war. Ein neues Gesetz macht die Sachlage komplizierter. Vorläufig hielt der fünfte Zivilsenat die Gemeinschaft aber für klagebefugt. Seine Entscheidung soll am 11. November verkündet werden.
(F.Schuster--BBZ)