Argentiniens Abgeordnetenkammer ruft zu "sozialem Frieden" auf
Zwei Tage nach dem mutmaßlichen Attentatsversuch gegen die argentinische Vizepräsidentin Cristina Kirchner hat die Abgeordnetenkammer in einer Sondersitzung ein Zeichen gegen die tiefe politische Spaltung des Landes zu setzen versucht. Die Kammer verabschiedete am Samstag eine überparteiliche Erklärung, in der sie ihre "energische Verurteilung" der Tat aussprach und zum "sozialen Frieden" aufrief.
In dem per Handzeichen verabschiedeten Text wird der mutmaßliche Anschlagsversuch als Verbrechen bezeichnet, welches "das Leben in der Demokratie" befleckt. Die Kammer forderte die "rasche und vollständige Aufklärung" der Tat.
In der Abgeordnetenkammer ist die regierende Mitte-Links-Koalition zwar die stärkste Kraft, sie verfügt dort aber nicht über die absolute Mehrheit. Die beabsichtigte Demonstration der überparteilichen Geschlossenheit wurde dadurch in Frage gestellt, dass die Abgeordneten der konservativen oppositionellen Pro-Partei nach Verabschiedung der Erklärung den Saal verließen, ohne in der Sitzung das Wort ergriffen zu haben. Die Sitzung ging dann ohne sie weiter.
Die Pro-Abgeordneten hatten der gemeinsamen Erklärung der Kammer zwar zugestimmt. Ihr Verlassen der Sitzung begründeten sie jedoch später damit, dass sie sich nicht an einer Debatte beteiligen wollten, welche "noch mehr Spaltung erzeugt". Der mutmaßliche Attentatsversuch dürfe nicht dafür benutzt werden, "die politische Opposition zu attackieren". Die Pro-Partei bezog sich damit auf Vorwürfe, die Opposition verbreite eine Rhetorik des Hasses.
Am Freitag hatten als Reaktion auf den mutmaßlichen Attentatsversuch zehntausende Menschen in der Hauptstadt Buenos Aires und anderen Städten demonstriert. Viele von ihnen forderten ein "Ende des Hasses", also der extremen politischen Polarisierung des Landes.
Ein Mann hatte am Donnerstag vor der Wohnung der 69-jährigen Vizepräsidentin in Buenos Aires eine Schusswaffe auf Kirchner gerichtet, als diese von Anhänger begrüßt wurde. Präsident Alberto Fernández sagte später, die Waffe sei mit fünf Kugeln geladen gewesen und habe nur aus technischen Gründen keinen Schuss abgegeben. Der Angreifer wurde festgenommen.
Kirchner war zwischen 2007 und 2015 Präsidentin des südamerikanischen Landes. In einem Korruptionsprozess hatte die Staatsanwaltschaft in der vergangenen Woche eine zwölfjährige Freiheitsstrafe für die heutige Vizepräsidentin gefordert. In dem Prozess geht es um öffentliche Ausschreibungen in Kirchners politischer Heimatprovinz Santa Cruz im Süden des Landes. Kirchner hat die Vorwürfe als politisch motiviert zurückgewiesen.
(K.Lüdke--BBZ)