Ermittler stoßen bei Großrazzia in Deutschland auf Materiallager von Schleusern
Bei dem Großeinsatz europäischer Ermittlungsbehörden gegen ein internationales Schleusernetzwerk aus dem Bereich der organisierten Kriminalität vom Dienstag sind in Deutschland deren zentrale Materiallager ins Visier genommen worden. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft in Osnabrück am Mittwoch mitteilten, wurden dabei in Deutschland rund 120 Schlauchboote und fast tausend Schwimmwesten beschlagnahmt. Die Gruppierung schleuste demnach im großen Stil Migrantinnen und Migranten über den Ärmelkanal nach Großbritannien.
Nach Erkenntnissen der Ermittlerinnen und Ermittler nutzte das hochprofessionell arbeitende Schleusernetzwerk die Bundesrepublik als logistische Drehscheibe für den Nachschub an nautischem Material. Die Razzia vom Dienstag richtete sich demnach gegen vier Materiallager in Osnabrück, Hannover und Lotte in Niedersachsen sowie in Bielefeld in Nordrhein-Westfalen. Zugleich wurden 18 Beschuldigte festgenommen.
Insgesamt gab es in Deutschland 36 Durchsuchungsaktionen in vier Bundesländern. Neben Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen betraf dies auch Bremen und Baden-Württemberg. 900 Einsatzkräfte waren beteiligt, die festgenommenen Beschuldigten im Alter zwischen 22 und 54 Jahren waren laut Ermittlern am Mittwoch entweder bereits in Untersuchungshaft oder sollten zur Entscheidung darüber zeitnah einem Richter vorgeführt werden.
Über die Razzia hatten die Behörden bereits am Dienstag berichtet. Dabei nannten sie zunächst aber nur relativ wenige Details. Erst am Mittwoch folgten weitere Angaben zu Hintergründen des Ermittlungsverfahrens wegen Beteiligung am banden- und gewerbsmäßigen Einschleusen von Ausländern.
Nach eigenen Angaben waren die deutschen Behörden bei dem international koordinierten Großeinsatz im Rahmen der Rechtshilfe für französische und belgische Ermittler tätig, die federführend gegen das Schleusernetzwerk vorgehen. Es soll demnach von der französischen und belgischen Küste aus operiert haben, um Migrantinnen und Migranten in Schlauchbooten über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu bringen. Laut Polizei soll es sich um eine der führenden kriminellen Gruppen in diesem Bereich gehandelt haben.
Das kurdisch-irakische Netzwerk soll nach Erkenntnissen der Behörden im Zeitraum zwischen einem Jahr und eineinhalb Jahren bis zu zehntausend Menschen gegen Bezahlung über den Ärmelkanal gebracht haben. Die Gesamtaktion wurde von europäischen Justiz- und Polizeibehörden Eurojust und Europol koordiniert. Bei der Aktion in Frankreich, Belgien, Großbritannien und in Deutschland wurden demnach insgesamt 52 Beschuldigte festgenommen.
Im Verlauf der internationalen Ermittlungen hatten sich Hinweise darauf ergeben, dass die Gruppierung in großem Umfang Material aus Deutschland an die Kanalküste brachte. Demnach hatten die Mitglieder in Deutschland die Aufgabe, Schlauchboote, Außenbordmotoren, Rettungswesten und andere Dinge zu beschaffen und einzulagern. Sie wurden von ihnen und anderen mutmaßlichen Mitgliedern der Bande mit Autos zum Ärmelkanal transportiert.
Bei dem Durchsuchungen vom Dienstag stießen die Beamtinnen und Beamten in den vier Lagern auf 119 Schlauchboote, 966 Rettungswesten und 33 Bootsmotoren. Außerdem wurden Tablets und Computer sowie 27.000 Euro Bargeld beschlagnahmt. Es waren vor allem Spezialkräfte dabei im Einsatz.
Nach Erkenntnissen der Ermittler soll das Schleusernetzwerk außerdem mit einem versuchten Tötungsdelikt in Osnabrück im Verbindung stehen. Dabei wurde ein Iraker im November durch Schüsse schwer verletzt. Es handelte sich womöglich um einen Racheakt für eine Schusswaffenangriff auf ein Mitglied der Organisation in einem französischem Flüchtlingslager.
(Y.Yildiz--BBZ)