Antisemitische Vorfälle standen 2021 oft im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie
Antisemitische Vorfälle in Deutschland standen im vergangenen Jahr zu einem großen Teil im Zusammenhang mit den Corona-Protesten: Ein knappes Drittel aller 2021 gemeldeten Vorfälle haben einen Bezug zur Pandemie, wie es in dem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) heißt. Dabei habe es sich überwiegend um Schmierereien, Aussagen auf Demonstrationen Online-Kommentaren gehandelt.
Deutlich sei dabei die Zahl "Schoa-relativierender Selbstviktimisierungen" gestiegen, beispielsweise wenn Gegner der Coronamaßnahmen sogenannte Judensterne mit der Aufschrift "ungeimpft" trugen.
Eine wichtige Rolle bei den antisemitischen Vorfällen spielten im vergangenen Jahr auch die neuerlichen Eskalation des arabisch-israelischen Konflikts. 60 Prozent aller im Monat Mai erfassten Vorfälle - 315 von 518 - hatten einen Bezug zu diesem Konflikt. Innerhalb einer Woche erfassten die Rias-Meldestellen zehn Angriffe, 16 gezielte Sachbeschädigungen und 14 Bedrohungen in diesem Kontext, hieß es.
Rias erfasste 2021 zudem mehr Vorfälle mit einem hohen Gewaltpotenzial als im Vorjahr, darunter sechs Fälle extremer Gewalt und 63 antisemitische Angriffe. Zu den Fällen extremer Gewalt zählten unter anderem ein Angriff auf einen jüdischen Teilnehmer einer Mahnwache für Israel und gegen Antisemitismus in Hamburg, bei dem der Betroffene schwer verletzt wurde.
Im August wurde den Angaben zufolge in Berlin festgestellt, dass ein jüdisches Gemeindehaus beschossen worden war. Zwei Fälle extremer Gewalt mit Todesfolge wurden mit antisemitischen Verschwörungsmythen legitimiert.
Antisemitische Bedrohungen fanden dem Jahresbericht zufolge häufig online in Sozialen Medien statt und richteten sich gegen erkennbare Jüdinnen und Juden, hieß es in dem Bericht weiter. Betroffen seien zudem Menschen, die ihre Solidarität mit Israel ausdrückten.
Die Rias-Experten gingen auch auf die Vorfälle bei der documenta in Kassel ein, die wegen Antisemitismus-Vorwürfen in der Kritik steht. Die Vorgänge dort machten deutlich, dass der Antisemitismus häufig auf "klassische antisemitische Stereotype" zurückgreift, sagte der geschäftsführender Vorstand Bundesverband Rias-Geschäftsführer Benjamin Steinitz bei der Vorstellung des Jahresberichts. Die weltweit bekannte documenta habe damit eine Gelegenheit für die Artikulation antisemitischer Positionen geschaffen.
Die documenta habe als Rahmen fungiert, antisemitische Positionen öffentlich artikulieren zu können." Sie sei dabei aber nur der "Vorläufige Höhepunkt einer besorgniserregenden Entwicklung". Die Bagatellisierung des israelbezogenen Antisemitismus trage "unmittelbar zur Unsicherheit von Jüdinnen und Juden in Deutschland bei". Antisemitismus "darf nicht unter dem Deckmantel von Kunstfreiheit in den Genuss staatlicher Förderung kommen".
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, forderte "grundsätzliche Konsequenzen" für die Struktur der documenta. Dabei müsse auch der Bund aktiv werden. Angesichts der weltweiten Bedeutung der Kunstausstellung könne es nicht sein, "dass sich der Bund zurückzieht und eine Stadt wie Kassel das alleine macht". Wenn der Bund Gelder bereitstelle, müsse er auch darauf achten, "dass verantwortungsvoll damit umgegangen wird".
Der 2018 gegründete Rias dokumentiert mit Hilfe eines Meldeportals einheitlich antisemitische Vorfälle in Deutschland.
(K.Lüdke--BBZ)