Assange-Angehörige bitten Berlin um Intervention im Fall des Wikileaks-Gründers
Bei einem Besuch in Berlin haben der Vater und der Bruder des in Großbritannien inhaftierten Wikileaks-Gründers Julian Assange an die Bundesregierung appelliert, US-Präsident Joe Biden zum Fallenlassen der Vorwürfe gegen den Australier aufzufordern. Dies sagte Assanges Bruder Gabriel Shipton am Montag vor Journalisten in Berlin. Der Sprecher von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht keine Voraussetzungen dafür, den von der Auslieferung an die USA bedrohten Assange in Deutschland aufzunehmen.
"Ich war immer der Meinung, dass Duldung, Nichtstun, Komplizenschaft bedeutet", sagte Assanges Vater John Shipton bei der Pressekonferenz mit der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen in Berlin. "Im Fall von Julian Assange unsichtbar zu sein, ist Mittäterschaft." Vater und Bruder riefen Deutschland dazu auf, seinen Einfluss in der Nato und beim bevorstehenden G7-Treffen in Bayern zu nutzen, um Assanges Anliegen voranzutreiben. Dem 50-Jährigen droht bei einer Auslieferung an die USA jahrzehntelange Haft.
Vater und Bruder wollten sich am Montag in Berlin auch noch mit Europa-Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne) treffen. Für Dienstag ist ein Treffen mit den Mitgliedern der fraktionsübergreifenden Abgeordneten-AG "Freiheit für Julian Assange" geplant, der auch Dagdelen angehört.
In einer gemeinsamen Erklärung forderten Dagdelen und ihre Kollegen Ulrich Lechte (FDP), Max Lucks (Grüne) und Frank Schwabe (SPD) am Montag, die Auslieferung von Assange an die USA müsse verhindert werden. "Journalisten sollten für ihre Arbeit nicht verfolgt und bestraft werden."
Im Interesse der Pressefreiheit wie auch aus humanitären Gründen müsse Assange umgehend freikommen. Die Bundesregierung solle sich in Gesprächen mit London dafür einsetzen. "Angesichts der vielfältigen Appelle an die Bundesregierung, Julian Assange politisches Asyl in Deutschland anzubieten, sollte dies durch die Bundesregierung geprüft werden."
Zu einer möglichen Aufnahme von Assange in Deutschland sagte Scholz-Sprecher Steffen Hebestreit vor Journalisten: "Ich glaube, dafür sind die Voraussetzungen nicht da." Assange könne nur aufgenommen werden, wenn er in Deutschland sei.
Zu möglichen Kontakten zu den betroffenen Regierungen könne er nichts sagen, sagte Hebestreit weiter. Es handele sich um "ein Rechtsverfahren" in einem anderen Land. Er wüsste nicht, wie die Bundesregierung da auf politischer Ebene eingreifen könne.
Australiens Premierminister Anthony Albanese hatte zuvor angekündigt, sich diplomatisch in den Streit um die Auslieferung von Assange einzuschalten. Er stehe zu seinen früheren Äußerungen, in denen er sich für ein Ende der Verfahren gegen Assange ausgesprochen hatte.
Wikileaks hatte 2010 geheime Dokumente zu den Kriegen im Irak und in Afghanistan veröffentlicht. Sie enthielten brisante Informationen über die US-Einsätze, unter anderem über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen. Assange wurde 2019 in Großbritannien festgenommen, nachdem er sich sieben Jahre lang in der ecuadorianischen Botschaft in London einem Zugriff entzogen hatte. Seit mehr als drei Jahren sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh bei London.
Vergangene Woche gab die britische Regierung grünes Licht für die Auslieferung von Assange an die USA. Der Australier und seine Unterstützer haben die Verfahren gegen ihn immer wieder als politisch motiviert kritisiert.
(G.Gruner--BBZ)