Soldat muss für Anerkennung von Belastungsstörung Lebensbedrohliches selbst erlebt haben
Erlebt ein Bundeswehrsoldat lebensbedrohliche Ereignisse im Auslandseinsatz nicht selbst, reichen bloße Berichte davon zur Anerkennung einer sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nicht aus. Aus einer solchen zu Unrecht anerkannten PTBS könnten wiederum keine anderen Schädigungsfolgen wie Alkoholabhängigkeit anerkannt werden, erklärte das baden-württembergische Landessozialgericht in Stuttgart am Mittwoch. Es ging um einen früheren Berufssoldaten, der zweimal für mehrere Monate in Afghanistan stationiert war.
Dort kamen drei seiner Kameraden durch eine Landmine und ein Selbstmordattentat ums Leben. Bei einem Raketenangriff sei der Kläger selbst im Bunker gewesen, erklärte das Gericht weiter. Einmal seien Jugendliche mit einer Mörsergranate auf ihn zugekommen, die sie aber ohne Explosion auf seine Aufforderung hin weggeworfen hätten.
Der heute 51-Jährige sei später an Krebs erkrankt und außerdem alkoholabhängig und darum mehrmals stationär in Behandlung gewesen. Seit 2018 sei eine Betreuerin für ihn bestellt, und er sei aus der Bundeswehr entlassen worden. Kurz zuvor habe die Bundesrepublik eine PTBS anerkannt und ihm Ausgleichszahlungen gewährt, seine Alkoholerkrankung aber nicht als weitere Schädigungsfolge anerkannt. Die Begründung sei gewesen, dass die Sucht bereits vor den Afghanistaneinsätzen bestanden habe.
Der frühere Soldat klagte und bekam zunächst vom Sozialgericht recht. Dieses verurteilte die Bundesrepublik dazu, die schwere Alkoholabhängigkeit als weitere Folge der Beschädigung im Wehrdienst anzuerkennen. Das Landessozialgericht hob dieses Urteil aber nun auf.
Ein Sachverständiger habe geschildert, dass die maßgeblichen Kriterien für eine PTBS nicht erfüllt seien und höchstens ein Ausgleich nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 30 gewährt werden könne, erklärte es.
Insbesondere habe der Soldat kein lebensbedrohliches, traumaauslösendes Ereignis in Afghanistan selbst erlebt. Er habe selbst bestätigt, dass er nur Situationen erlebt habe, die alle anderen Soldaten gleichermaßen beträfen.
Außerdem habe er gleich nach dem Auslandseinsatz eine Qualifizierungsmaßnahme in der Nato-Eingreiftruppe absolviert und sei dafür gesundheitlich als geeignet eingestuft worden, was bei einer schweren Traumatisierung kaum vorstellbar sei.
Während der gutachterlichen Untersuchung habe der Mann bei der Schilderung der Auslandseinsätze weder Begleiterscheinungen noch Vermeidungsverhalten gezeigt, zitierte das Gericht weiter. Anders als er von Konflikten mit seiner Frau erzählt habe: Dabei habe er "eine ausgeprägte Unruhe mit ungeordneter und sprunghafter Darstellung" gezeigt.
Seine Alkoholsucht wiederum sei auf seine familiäre Vorgeschichte und Probleme in der Ehe zurückzuführen, schon von Jugend an sei er extrem alkoholgefährdet gewesen. An den Wochenenden sei er schon vor seiner Zeit in Afghanistan oft betrunken gewesen.
(U.Gruber--BBZ)