Gericht: Gesetz zu Zwangssterilisationen in Japan war verfassungswidrig
In Japan ist ein mittlerweile ungültiges Gesetz zu Zwangssterilisationen vom Obersten Gericht rückwirkend für verfassungswidrig erklärt worden. Zudem hob das Gericht am Mittwoch eine 20-jährige Verjährungsfrist für die Forderung von Entschädigungszahlungen auf. "Es wäre extrem unfair, ungerecht und absolut untragbar, wenn der Staat sich der Verantwortung für Entschädigungszahlungen entziehen könnte", urteilte das Gericht in Tokio.
Unter dem Gesetz waren in Japan zwischen 1948 und 1996 rund 16.500 Menschen gegen ihren Willen sterilisiert worden. Die Regelung sollte die "Erzeugung minderwertiger Nachkommen" durch Menschen mit vererbbaren geistigen Behinderungen unterbinden.
Die Regierung werde nun über "angemessene" Schritte beraten, sagte Regierungssprecher Yoshimasa Hayashi am Mittwoch. "Wir werden dem Urteil entsprechend Entschädigungen zahlen", fügte er hinzu. Ein Opfer-Anwalt begrüßte die Entscheidung des Gerichts. "Das war das beste Urteil, das wir erwarten konnten", sagte der Anwalt Koji Niizato.
"Das Ganze ist noch nicht vollständig geklärt", sagte hingegen der heute 81-jährige Saburo Kita, der als 14-Jähriger während eines Heimaufenthalts sterilisiert worden war. "Gemeinsam mit den Anwälten werde ich weiter kämpfen." Seiner Frau hatte Kita erst kurz vor deren Tod von der Zwangsvasektomie erzählt.
Nach Angaben der japanischen Regierung kamen zu den 16.500 Zwangssterilisierten noch weitere 8500 Menschen hinzu, die ihr Einverständnis für solch einen Eingriff gegeben hatten. Anwälte der Betroffenen sagten jedoch, auf ihre Mandanten sei Druck ausgeübt worden, so dass sie de facto zu der Sterilisation gezwungen worden seien.
Die Betroffenen wurden bei den Operationen gefesselt, betäubt oder "getäuscht", wie es ein einem Regierungstext von 1953 heißt. Das Gesetz war 1996 abgeschafft worden. Seit 1980 wurden nur noch wenige Eingriffe vorgenommen.
Nachdem die Klage einer damals 60-jährigen Zwangssterilisierten das Thema wieder an die Öffentlichkeit gebracht hatte, hatte sich die Regierung 2019 entschuldigt und ein Gesetz beschlossen, das jedem Opfer eine pauschale Entschädigungszahlung in Höhe von 3,2 Millionen Yen (rund 18.000 Euro) zusprach. Vielen Opfern genügte das nicht, weitere Klagen wurden angestrengt.
(A.Thompson--TAG)