Historiker finden tausende Bittbriefe von verfolgten Juden in Vatikanarchiv
Ein Historikerteam ist in den erst vor zwei Jahren geöffneten geheimen Archiven des 1958 verstorbenen Papsts Pius XII. auf tausende Bittbriefe von verfolgten Jüdinnen und Juden aus der Zeit des Nationalsozialismus und des Holocausts gestoßen. Wie die Wochenzeitung "Die Zeit" am Mittwoch vorab berichtete, schätzt der deutsche Kirchenhistoriker Hubert Wolf, der das Team leitet, deren Zahl auf 15.000.
Demnach wurden die Briefe zwischen 1933 und 1945 verfasst und meist direkt an den Papst gerichtet, der seit 1939 amtierte. Laut "Zeit" schilderten die Jüdinnen und Juden darin in oft flehentlichen Worten ihre Schicksale und baten um Unterstützung. "Große Sorge gibt mir den Mut, Eure Heiligkeit um Hilfe anzuflehen" oder "Wenngleich ich keine Katholikin bin, setze ich auf die Nächstenliebe Eurer Heiligkeit", hieß es dem Bericht zufolge in zwei dieser Schreiben.
Demnach finden sich darunter auch Briefe, die Menschen für ihre Verwandten oder Christen für jüdische Freunde verfassten. Der Vatikan half demnach immer wieder mit Geldzahlungen oder einer Schiffspassage aus. Viele der Bittbriefe stammen demnach auch von Jüdinnen und Juden aus Deutschland und Österreich, die nach Italien geflohen waren und in dem Land daraufhin mittellos gestrandet waren.
Seit Jahrzehnten wird sehr kontrovers über die Rolle von Pius XII. während des Holocausts diskutiert und gerätselt. Der damalige Papst schwieg zeitlebens öffentlich zu der millionenfachen Ermordung von Jüdinnen und Juden aus ganz Europa, obwohl er nach historischem Kenntnisstand darüber informiert war. 2020 öffnete der Vatikan die noch nicht freigegebenen Aktenarchive seines Pontifikats. Forscher erhoffen sich davon Antworten auf die Frage, warum Pius so handelte.
(L.Kaufmann--BBZ)