Berliner Mordprozess gegen zwei Brüder nach brutaler Tötung von Schwester begonnen
Vor dem Berliner Landgericht hat am Mittwoch ein Mordprozess gegen zwei Brüder wegen der brutalen Tötung ihrer Schwester begonnen. Die beiden Afghanen sollen die Frau im Juli vergangenen Jahres ermordet haben, weil sie eine "modernere Lebensführung" verfolgte, wie aus der zum Auftakt verlesenen Anklageschrift hervorging. Die beiden sollen die Leiche dann in einem Rollkoffer mit dem Zug von Berlin nach Bayern gebracht haben.
Die Staatsanwaltschaft wirft den 23 und 27 Jahre alten Angeklagten Sayed und Seyed H. vor, das Verbrechen im vergangenen Sommer vor dem Hintergrund "archaischer Ehr- und Moralvorstellungen" begangen zu haben. In der Anklageschrift hieß es, Maryam H. habe sich den "Wünschen und Anweisungen" ihrer Brüder widersetzt und nach ihrer Scheidung eine Liebesbeziehung zu einem anderen Mann unterhalten.
Die beiden Männer sollen die zweifache Mutter am 13. Juli vergangenen Jahres in Berlin unter einem Vorwand zu einem Treffen gelockt und sie dabei getötet haben. Laut Staatsanwaltschaft würgten und drosselten sie ihre Schwester, zusätzlich schnitten sie ihr die Kehle auf.
Die Leiche der Frau brachten die Brüder demnach am Tattag in einem Rollkoffer mit einem Taxi zu einem Berliner Fernbahnhof, von wo aus sie mit ihrer grausigen Fracht per Bahn nach Bayern fuhren. Dort transportierten sie den Koffer weiter mit einem Auto in die Nähe des Wohnorts des 27-jährigen Angeklagten, um ihn dort zu vergraben.
Die Brüder gerieten demnach unter anderem durch Videoaufnahmen von dem Berliner Bahnhof und Zeugenaussagen unter dringenden Tatverdacht. Die Geschwister stammen ursprünglich aus Afghanistan, kamen aber bereits mehrere Jahre vor den Ereignissen nach Deutschland.
Der Prozess begann mit mehreren Anträgen der Verteidiger: Sie beantragten einen neuen Dolmetscher, weil der bestellte Übersetzer nicht für die afghanische Sprache Dari beeidigt sei. Nach einer einstündigen Beratung wies das Gericht den Antrag ab. Der Vorsitzende Richter Thomas Groß verwies darauf, dass Unterschiede zwischen Dari und Farsi vergleichbar seien mit jenen zwischen Österreichisch und Hochdeutsch.
Die Verteidigung kritisierte zudem öffentliche Äußerungen in der Politik zu dem Fall. Bereits im August habe die damalige Berliner SPD-Spitzenkandidatin und heutige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey von einem "Ehrenmord" gesprochen, auch die damalige Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) habe sich zu dem Fall geäußert. Demnach erwägt die Verteidigung, beide in den Zeugenstand zu rufen.
Außerdem beanstandete die Verteidigung die Nebenklage-Vertretung: Die zehn und 14 Jahre alten Kinder der getöteten Frau werden vom Berliner Opferbeauftragten Roland Weber vertreten. Damit sei der Staat in dem Prozess mit der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage gleich zweimal vertreten, kritisierten die Verteidiger.
In einem weiteren Antrag warfen die Verteidiger Ermittlern vor, Seyed H. sei bei einer Vernehmung getäuscht worden – daher dürften diese Beweise nicht benutzt werden. Demnach soll er Ende Juli 2021 zu einer Vernehmung offiziell als Zeuge im Vermisstenfall seiner Schwester geladen worden sein, obwohl er zu dem Zeitpunkt bereits als Beschuldigter gegolten habe.
Das Gericht entschied noch nicht über diese beiden Anträge. Die Brüder äußerten sich nicht zu den Vorwürfen. Für den Prozess sind mehr als 30 Verhandlungstermine bis August angesetzt.
(K.Lüdke--BBZ)